Überblick


Die Diabelli-Variationen von Beethoven: Eine Analyse

Die Diabelli-Variationen von Ludwig van Beethoven sind ein beeindruckendes Beispiel für die Meisterschaft des Komponisten in der Kunst der Variation. Hier sind einige wichtige Aspekte der Gesamtform und Struktur dieses Werks:

Variationen und Form: Beethoven variiert das von Diabelli vorgegebene Thema insgesamt 33 Mal. Einige Musikwissenschaftler, wie Karl Geiringer, betrachten diese Variationen als 32 Hauptvariationen mit einer abschließenden 33. Veränderung, die als "Epilog zum Himmel" bezeichnet wird. Diese Einteilung korreliert mit der formalen Gliederung des Themas in acht viertaktige Phrasen.

William Kinderman, ein anderer Musikwissenschaftler, sieht die Variationen weniger als streng strukturiert, sondern vielmehr als Beethovens Bemühen, sich von den traditionellen Formen der Klassik zu lösen und auf einen Höhepunkt in Form einer finalen Variation (Nr. 33) hinzuarbeiten. Er betont die Transformation und Entwicklung von Beethovens musikalischem Ausdruck im Spätwerk.

Die Diabelli-Variationen werden auch in drei Abschnitte unterteilt: Variationen 1–10, 11–24 und 25–33. Kinderman interpretiert diese Unterteilung als eine Art dramatischen Bogen, vergleichbar mit der Sonatensatzform von Exposition, Durchführung und Reprise.

Andere Analysen: Es gibt auch alternative Analysen, die das Werk in Variationen 1–10, 11–20, 21–30 und 31–33 unterteilen. Diese Einteilung basiert auf musikalischen Merkmalen und der besonderen Anordnung der letzten Variationen ohne Unterbrechung.

Insgesamt zeigen diese verschiedenen Analysen die Vielschichtigkeit und tiefgreifende Struktur der Diabelli-Variationen von Beethoven. Die Arbeit enthält sowohl formale Elemente als auch eine emotionale Entwicklung, die das Werk zu einem Meisterwerk der Variationenmusik macht.

 

Thema


Form / Harmonik: Das Thema erstreckt sich über 32 Takte in C-Dur und ist in zwei identische Teile unterteilt, die jeweils wiederholt werden. Der A-Teil und der B-Teil sind gleich lang, aber der B-Teil unterscheidet sich harmonisch vom A-Teil. Der A-Teil besteht aus einem viertaktigen Modell, gefolgt von einer Sequenz und einem achttaktigen Entwicklungsabschnitt. Der B-Teil hat eine ähnliche Struktur, wird jedoch harmonisch modifiziert. Diese klare Struktur bietet eine solide Grundlage für die Variationen.

Rhythmik / Melodik: Das Thema ist von einem regelmäßigen Viertelpuls geprägt und enthält hauptsächlich Viertel-, Achtel- und halbe Noten. Gelegentliche rhythmische Abweichungen entstehen durch Synkopen, die den musikalischen Fluss unterbrechen und durch Sforzati verstärkt werden. Die Melodie beginnt oft mit einem verspielten Auftakt und wechselt zwischen den Händen, wodurch eine interessante Dynamik entsteht.

Dynamik / Artikulation: Das Thema enthält sowohl Stufen- als auch Schwelldynamik, von Piano bis Fortissimo. Die Artikulation beschränkt sich auf Staccato und Legato sowie gelegentliche Akzente durch Sforzati. Dies verleiht dem Thema eine gewisse Klarheit und Ausdruckskraft.

 

Variationen 1–10


Variation I (Alla Marcia maestoso): Diese Variation bleibt nahe an Diabellis Melodie, jedoch verwandelt Beethoven den Walzer in einen rustikalen Marsch im 4/4-Takt. Markante Akzente und Echo-Effekte verleihen dieser Variation eine einzigartige Note.

Variation II (Poco allegro): Diese Variation kontrastiert stark mit dem vorherigen Marsch. Sie ist zart und erzeugt eine gedämpfte Atmosphäre. Beethoven kehrt zum 3/4-Takt zurück, jedoch erinnert diese Variation kaum noch an das ursprüngliche Walzerthema. Es gibt keine Wiederholung des A-Teils, und die Symmetrie wird erstmals gebrochen.

Variation III (L’istesso tempo): Diese Variation knüpft an die vorherige an und entfernt sich weiter vom ursprünglichen Thema. Ein direkter Bezug zum Diabelli-Thema ist kaum noch erkennbar. Es handelt sich um eine kontrapunktische Variation mit verschiedenen Imitationen.

Variation IV (Un poco più vivace): Hier bricht Beethoven erstmals die ursprüngliche Gliederung des Walzers auf, indem er den A-Teil auf 15 Takte reduziert. Auch diese Variation ist kontrapunktisch, mit einer dreistimmigen Engführung.

Variation V (Allegro vivace): Diese Variation erscheint leicht und energisch und bleibt im 3/4-Takt. Es gibt einen Bezug zur 5. Sinfonie. Beethoven weicht erstmals vom ursprünglichen Tonartenplan Diabellis ab.

Variation VI (Allegro ma non troppo e serioso): Diese Variation hebt sich durch ihr Fortissimo und die Einführung von Sechzehntelnoten ab. Sie ist streng zweistimmig und hebt den Vorschlag des Themas hervor.

Variation VII (Un poco più allegro): Diese Variation verwendet einen breiten Tonumfang und wirkt brillant und dramatisch. Beethoven verwendet erstmals Triolen und erweitert das rhythmische Spektrum.

Variation VIII (Poco vivace): Diese Variation zeichnet sich durch ihre Zartheit und Intimität aus. Sie bildet einen Kontrast zu den lauten vorherigen Variationen und bietet dem Hörer eine Atempause.

Variation IX (Allegro pesante e risoluto): Diese Variation spielt schalkhaft mit dem Vorschlag. Sie steht in c-Moll und weicht vom ursprünglichen Thema ab.

Variation X (Presto): Diese Variation steigert sich von Pianissimo zum Fortissimo in zwei Etappen und ist die brillanteste aller Variationen. Beethoven verzichtet auf Wiederholungen und nutzt den gesamten Tonumfang des Hammerflügels.

 

Variationen 11–24


Variation XI (Allegretto): Diese kontrapunktische Variation spielt erneut mit dem Auftakt des Walzerthemas, diesmal ruhig und anmutig. Strukturell ähnelt sie Nr. 12, da Beethoven auf die Wiederholung des A-Teils verzichtet und den B-Teil auf 15 Takte verkürzt.

Variation XII (Un poco più moto): Hier bauen parallele Terz-/Sext- sowie Quartgänge mit dem Thema im Bass Spannung auf. Im Gegensatz zu Nr. 11 gibt es eine ausgeschriebene und leicht modifizierte Wiederholung des B-Teils.

Variation XIII (Vivace): Die Akkorde scheinen in dieser Variation buchstäblich in Pausen zu verschwinden. Lauten Forte-Akkorden folgen ruhige Vierteltupfer im Piano, gefolgt von einer sukzessiven Steigerung zum Forte und Fortissimo. Diese Variation überrascht in der Paralleltonart a-Moll und moduliert nach G-Dur.

Variation XIV (Grave e maestoso): Dies ist die erste langsame Variation des Zyklus. Sie schreitet im gemessenen 4/4-Takt voran und erinnert an eine barocke Toccata im französischen Stil. Beide Teile sind auf acht Takte verkürzt und steigern sich von Piano zum Forte. Beethoven moduliert erneut, dieses Mal nach e-Moll.

Variation XV (Presto scherzando): Diese kurze und leichte Variation erinnert an die späteren Moments musicaux von Franz Schubert. Sie bereitet die Bühne für die folgenden lauten und virtuosen Variationen.

Variation XVI (Allegro): Das Thema erklingt hier in der rechten Hand über auf- und absteigenden gebrochenen Oktaven der linken Hand.

Variation XVII (ohne Bezeichnung): Hier wechselt das Thema in markanten Oktaven in den Bass, begleitet von hastigen Sechzehntel-Figuren in der Oberstimme. Dies erzeugt einen Rollentausch-Effekt.

Variation XVIII (Poco moderato): Diese ruhige und beinahe meditative Variation bietet einen Kontrast zur vorherigen Stürmigkeit. Es folgt ein ruhiger, zweistimmiger Kanon in Kontrast zur vorherigen Variation XVII.

Variation XIX (Presto): Diese Variation steht im klaren Kontrast zur vorherigen langsamen Variation. Sie schließt das zweite Drittel des Zyklus mit einer langsamen, verhangenen Bass-Variation im 6/4-Takt ab.

Variation XX (Andante): Diese Variation erinnert an einen feierlichen Choral und bildet den inneren Höhepunkt des Zyklus. Sie enthält beinahe nur punktierte Halben Noten im tiefen Register und verzichtet auf Wiederholungen.

Variation XXI (Allegro con brio): Hier wird das Thema im Fortissimo gespielt, gefolgt von einem gänzlich andersartigen Abschnitt im Piano im 3/4-Takt. Beethoven moduliert erneut und schafft eine einzigartige Struktur.

Variation XXII (Allegro molto): Diese Variation zitiert die Eröffnungsszene aus Mozarts Oper Don Giovanni und kann als Parodie auf die Mode der Zeit angesehen werden, endlose Bravour-Variationen über beliebte Opernmelodien zu produzieren. Beethoven bleibt durchwegs im Unisono.

Variation XXIII (Allegro assai): Diese Variation erinnert möglicherweise an Klavieretüden jener Zeit und steht im klaren Kontrast zur vorherigen langsamen Variation.

Variation XXIV (Andante): Diese Fughetta mit Vorhalt und Fermate schließt den Abschnitt ab. Sie enthält eine vierstimmige Einsatzfolge des Themas mit tonaler Beantwortung und freiem Kontrapunkt. Der B-Teil zeigt eine melodische Umkehrung des Anfangs.

 

Variationen 25–33


Variation XXV (Allegro): Diese Variation zeigt wieder Beethovens Bezug zum Diabelli-Walzer. Sie verwendet den 3/8-Takt und verkürzt den A-Teil auf 15 Takte. Durch die Auslassung eines Taktes im Entwicklungsabschnitt entsteht ein "Rollback-Effekt", der die Ziellosigkeit des "Schusterflecks" verstärkt und parodiert.

Variation XXVI (ohne Bezeichnung): Hier handelt es sich um eine Dekonstruktion des Walzerthemas, die ausschließlich aus dreitönigen, gebrochenen Dreiklangsumkehrungen und stufenweisen Figuren besteht.

Variation XXVII (Vivace): Diese Variation besteht aus Sechzehntel-Triolen und folgt weitgehend demselben Muster wie Nr. 26.

Variation XXVIII (Allegro): Diese Variation bildet einen deutlichen Kontrast zu den vorherigen Variationen. Im hämmernden Staccato erklingen hier ausgreifende Akkord- und Oktavenfolgen mit Sforzati auf jedem Viertelschlag.

Variation XXIX (Adagio ma non troppo): Diese Variation strahlt eine ruhige und melancholische Stimmung aus. Sie ist die bisher kürzeste Veränderung im Zyklus und vergeht ohne Wiederholung.

Variation XXX (Andante, sempre cantabile): Diese Variation bleibt dreistimmig und überrascht durch ihre asymmetrische Gliederung. Sie zeigt eine gewisse Barock-Einfluss und moduliert zwischen verschiedenen Tonarten.

Variation XXXI (Largo, molto espressivo): Diese Variation ist der emotionale Höhepunkt des Werks und bereitet das Gefühl der Transzendenz vor. Sie beginnt in c-Moll und moduliert nach Es-Dur.

Variation XXXII (Allegro): Diese Variation ist die umfangreichste aller Veränderungen und enthält eine vierstimmige Doppelfuge. Beethoven zitiert hier Johann Sebastian Bach und verwendet Fugentechniken wie Umkehrung und Engführung.

Variation XXXIII (Tempo di Menuetto moderato): Diese Variation kehrt zur Zweiteiligkeit des Diabelli-Themas zurück. Beide Teile werden wiederholt, gefolgt von einer Coda. Die Variation ist reich an musikalischen Details und dynamischen Nuancen.

Die Diabelli-Variationen enden mit einer kontemplativen und transzendenten Variation, die das Werk auf eine ruhige und offene Weise abschließt.